Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs: Prävention, Versorgung und Langzeitüberleben standen im Mittelpunkt
Vom 8. bis 9.2.2023 fand in Berlin die 9. Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs (NVKH) statt. Das jährliche Treffen des gleichnamigen Vereins ist sozusagen der Gipfel für alle wichtigen Stakeholder aus Deutschland, die mit Hautkrebs zu tun haben, von der Prävention zur Früherkennung und Behandlung.
Erfolgreiche Projekte und gemeinsames Brainstorming: Der Tag 1
Bei der Nationalen Versorgungskonferenz Hautkrebs (NVKH) trifft man z.B. die Akteure vom Bundesamt für Strahlenschutz oder vom Gesundheitsministerium ebenso wie die Patient:innen, die Forscher:innen ebenso wie die Ärzt:innen und Pharmavertreter:innen.
In den beiden Handlungsfeldern Prävention und Versorgung wurden am ersten Tag bereits durchgeführte Projekte vorgestellt und Ideen geschmiedet, wie wir die Vorbeugung, Erkennung und Therapie von Hauttumoren gemeinsam verbessern können.
Bei der Prävention waren dies etwa die Einrichtung von Schattenplätzen zur Hautkrebsprävention in KITAs und Schulen oder die Einführung eines UV-Index-Warn- und Informationssystems an Orten der Freizeit.
Im ersten Themenbereich „Information & Kommunikation“ ging es um verschiedene Informationsangebote zu Hautkrebs und die begleitende Forschung. Auch Selbsthilfegruppen wie die “Selbsthilfe Kutane Lymphome”, die “Selbsthilfegruppe Nebenwirkung Nebennierenrinden-Insuffizienz” und die neugegründete Selbsthilfegruppe “YOKO Dresden” konnten sich hier vorstellen.
Besonders hervorzuheben ist auch das Infoportal Hautkrebs, die von der NVKH initiierte Webseite für Betroffene und Interessierte, die auch deshalb so einzigartig ist, weil die Inhalte gemeinsam von Expert:innen und Patient:innen geprüft werden und weil sie ohne Pharma-Unterstützung auskommt. Christiane Weber, die das Projekt organisiert, gab am zweiten Tag einen Überblick im Plenum (s.u.).
Rahmenbedingungen einer guten Versorgung
Im “Handlungsfeld Forschung und Innovation” zeichnete dessen Sprecher Prof. Dirk Schadendorf ein eher düsteres Bild zu den Rahmenbedingungen der zukünftigen Versorgung von Hautkrebspatienten. Die zunehmende Personalknappheit in den Krankenhäusern und die Tatsache, dass viele Dermatolog:innen demnächst in den Ruhestand gehen werden, könnte eine leitliniengerechte Therapie und Nachsorge in Zukunft schwieriger machen.
Denn die Generation der Babyboomer plant den Ruhestand: In den nächsten Jahren werden fast 90.000 Ärzte in Rente gehen, mehr als jeder Fünfte. Doch viele Medizin-Absolventen haben wenig Lust auf eine eigene Praxis. Stattdessen arbeiten Nachwuchsmediziner lieber als Angestellte, in familienfreundlicherer Teilzeit. Knapp zwei Drittel davon sind Ärztinnen: Vor allem diese entscheiden sich gegen die für Praxisinhaber typische 50- bis 60-Stunden-Woche. (Quelle: Marburger Bund)
So diskutierten wir, ob weniger Bürokratie helfen könnte oder die Nutzung digitaler Angebote, wie es z.B. bei Online-Tumorkonferenzen oder Video-Sprechstunden möglich ist. Und könnten bestimmte Aufgaben der Fachärzte z.B. durch neue Berufe wie Onco-Nurses oder Onkolotsen übernommen werden?
Auch das Thema “Leitliniengerechte Nachsorge” ist nach wie vor nicht befriedigend geklärt. Wenn diese zwar in bestimmten Intervallen erfolgen soll, der Arzt sie aber nach zwei Jahren gar nicht mehr abrechnen kann, so entsteht eine Schieflage und die Patienten sind die Leidtragenden.
Eine in der Bevölkerung breiter angenommene Früherkennung könnte zu weniger aufwändigen Therapien führen. Deshalb schien die Entwicklung einer Awareness-Kampagne zum Hautkrebsmonat Mai mit Unterstützung durch die Patientenorganisationen sinnvoll, um mehr Menschen zur Hautkrebs-Vorsorge zu motivieren.
Wie steht es um die Versorgung von CTCL-Patienten?
Die uns besonders am Herzen liegende Versorgung von CTCL-Patienten wurde bei der Sitzung zum zweiten Themenbereich “Forschung & Innovation” diskutiert. Prof. Chalid Assaf stellte zwei Studien dazu vor (Quellen s.u.). Die gute Nachricht: CTCL-Betroffene erhalten in Deutschland seltener als in anderen europäischen Ländern die aggressiven Kombinations-Chemotherapien (CHOP), deren Einsatz hierzulande tendenziell nur bei schweren, aggressiven Verlaufsformen erfolgt.
Dafür fanden die Autoren der Studie, die die Versorgung in Deutschland untersucht hat, dass die relativ gut verträgliche PUVA-Therapie insgesamt vergleichsweise selten verordnet wird. Auch bei der Diagnostik zeigen sich Lücken bei der leitliniengerechten Herangehensweise. Die durchflusszytometrische Immunphänotypisierung (auch FACS genannt) gilt als wichtige Untersuchung zur Erkennung und Verlaufsdiagnostik einer Blutbeteiligung kutaner Lymphome, da das Krankheitsstadium der wichtigste prognostische Faktor bei Mycosis fungoides und beim Sézary-Syndrom ist. Diese erfolgte nach der Studie aber nur bei lediglich 10 % der Patienten.
Im Dialog
Am zweiten Konferenztag ging es im Plenum und mit mehreren interessanten Podiumsdiskussionen weiter. Wieder spielte die Perspektive der Patienten eine große Rolle. Markus Wartenberg, vom Nationalen Beirat des NCT-Netzwerks (NCT steht für Nationales Centrum für Tumorerkrankungen) sprach vom Engagement der Patienten in der Forschung: „Wir wollen Veränderungen erreichen.“
Er betonte die Entwicklung von der reinen Selbsthilfe vor Ort zur Interessenvertretung. Im englischsprachigen Raum wird hier klarer unterschieden zwischen ‘Patient Support’ = Selbsthilfe und ‘Patient Advocacy’ = Interessenvertretung. In anderen Branchen sei die Einbeziehung der „Kunden“ seit langem selbstverständlich, in der Forschung und Medizin jedoch noch am Anfang. Um sie zu stärken, forderte er eine Kompensation für Patientenvertreter und eine neue Kultur der Partizipation.
Ein praktischer Vorstoß des NCT-Netzwerks, um Patientenvertreter besser für die Mitarbeit im Gesundheitswesen zu qualifizieren, ist die Patienten-Experten-Akademie PEAK mit den Schwerpunkten in vier zentralen Bildungsbereichen: Patienten als Forschungspartner; Leitung, Aufbau & Entwicklung von Patienten-Strukturen; Evidenz-Basierte Interessen-Vertretung; Mitgestaltung „Digitaler Gesundheit”.
Meilenstein Infoportal Hautkrebs
Dr. Christiane Weber Als eines der herausragenden NVKH-Projekte, bei dem auch Betroffene kontinuierlich mitarbeiten, hat sich das Infoportal zum Ziel gesetzt, Betroffene zu einer mündigen und kompetenten Partnerschaft mit ihren Behandelnden zu befähigen. Es gibt wissenschaftlich fundierte und geprüfte Informationen zum Thema Hautkrebs und praktische Hilfen, um sich im Alltag mit Hautkrebs zurecht zu finden.
Langzeit-Betroffenheit im Fokus
Über seine Krebserfahrung berichtete Jörg Erdbeer von der Hautkrebs-Selbsthilfegruppe Buxtehude. Durch immer wieder auftretende Rezidive wird er stets erneut mit seinem hellen Hautkrebs konfrontiert und hat dies bisher selbst bewältigt, aber auch dank seiner Familie und der Selbsthilfegruppe, durch die er die richtigen Ansprechpartner fand. Er wünscht sich nun noch mehr Unterstützung bei der psychischen Verarbeitung.
Nils Frank, Melanompatient und von Melanom Info Deutschland, wies auf das Problem langer Wartezeiten für psychoonkologische Therapieangebote hin. Er habe schließlich für sich in den “Kampfmodus” geschaltet und informiert jetzt andere Betroffene über Social Media zum Hautkrebs.
Wie erhalten Betroffene die richtigen Informationen?
In der zweiten Podiumsdiskussion ging es um die möglichst erfolgreiche Vermittlung gesundheitsrelevanter Informationen. Carola Berking lobte das Pharma-unabhängige Infoportal Hautkrebs, aber auch klassische Flyer, die sie den Ratsuchenden direkt in die Hand drücken kann.
Ulrich Rüffer von der Deutschen Fatigue-Gesellschaft wies darauf hin, dass es in unserem Land rund zehn Millionen funktionelle Analphabeten gibt, für die es angepasste Angebote, z.B. Videos geben müsse. Sarah Richter von der YOKO Selbsthilfegruppe Dresden/Ostsachsen nahm die Herausforderung an, eine eigene Selbsthilfegruppe vor Ort zu gründen, um ihre Probleme gemeinsam mit anderen Betroffenen zu stemmen.
Zur verständlichen Nachfrage der Ratsuchenden nach ergänzenden und komplementärmedizinischen Verfahren wies Martina Kiehl vom Hautkrebs-Netzwerk Deutschland auf die Broschüre des HKND und gemeinsame Webinare mit der Stiftung Perspektiven hin. Einig war man sich, dass die den Leitlinien folgende Nachsorge noch zu wenig die Aufklärung von Patienten über gute Informationsangebote abbildet.
Rainer Sbrzesny von der Geschäftsstelle des Patientenbeauftragten der Bundesregierung gab sich leicht ketzerisch und stellte verschiedene Bemühungen der Bundesregierung vor, ihrer Pflicht zur Stärkung der Patientenkompetenz nachzukommen. Diese bestünde darin, Informationen zur Gesundheit zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden. Die entsprechenden Angebote seien jedoch sicherlich noch ausbaufähig.
Wir konnten hier nur einen Ausschnitt der vielen Themen wiedergeben, die auf der diesjährigen NVKH diskutiert wurden. Wer gerne das nächste Mal dabei sein möchte, sollte sich den Termin 7./8. Februar 2024 vormerken und auf der Webseite der NVKH vorbeischauen und den dortigen Newsletter abonnieren.
Text und Fotos: Anne Wispler
Quellen:
1. Assaf C, Dobos G, Zech IM, Doess A, Hibbe T, Jadasz JJ (2022) Versorgungsstruktur der Patienten mit Mycosis fungoides und Sézary-Syndrom in Deutschland – Versorgungsforschung auf Basis von GKV-Routinedaten. J Dtsch Dermatol Ges 20(5):643–652
2. Assaf C, Waser N, Bagot M, He M, Li T, Dalal M, Gavini F, Trinchese F, Zomas A, Little M, Pimpinelli N, Ortiz-Romero PL, Illidge TM (2021) Contemporary treatment patterns and response in relapsed/ refractory cutaneous T-cell lymphoma (CTCL) across five European countries. Cancers (Basel) 14(1):145)