Andrew Evans

Andrew Evans von MPNE Ocular erklärt, was Lean Management ist.

Am letzten November-Wochenende trafen sich 30 Patientenvertreter aus 12 Ländern zu einem Workshop zum Thema „Lean Management for Patient Advocates“ im schwedischen Krusenberg Herrgård bei Uppsala. Die Fortbildung ist jährlich ein fester Bestandteil der Netzwerkaktivitäten des Melanoma Patient Network Europe (MPNE).

Iain Galloway aus England brachte es schön auf den Punkt, er nannte Krusenberg das spirituelle Zuhause von MPNE. Denn in diesem Tagungshotel an einem schwedischen See findet traditionell der Jahresend-Workshop des europäischen Netzwerks von Patientenvertretern statt, die sich gefunden haben, um alles zu tun, damit weniger Menschen an Melanomen sterben.

Wiese mit Streuobstbäumen
Raureif lag hier morgens auf den Wiesen, auf denen alte Apfelbäume stehen und manchmal auch Highland-Rinder weiden. Am Ende einer Allee liegt der Ekolnsee, zu dieser Jahreszeit ist es einsam und sehr ruhig hier. Perfekte Voraussetzung, damit wir uns alle ganz auf die Themen unseres Workshops fokussieren können.

Von Angesicht zu Angesicht

Neben der konzentrierten Arbeit in Workshops, die jährlich zu anspruchsvollen Themen aus den Bereichen Forschung, Medizin, Gesundheitspolitik und effektiver Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für die Belange der Patienten veranstaltet werden, ist hier Gelegenheit zum Austausch untereinander. Wie geht es uns mit unserer Erkrankung, wie geht es mit der Arbeit in den einzelnen Selbsthilfeorganisationen voran?

Wichtig ist, dass dieser Austausch nicht nur über E-Mail und Social Media passiert, wie Bettina Ryll, die Gründerin des MPNE betont. Sich persönlich zu treffen und vielleicht schon beim Frühstück oder abends beim gemeinsamen Abendessen über eigene Erfahrungen oder neue Projekte zu reden, hat einfach eine andere Qualität. Und nebenbei sind die mittlerweile vertrauten Menschen, die wir hoffen hier wiederzusehen, unsere Vorbilder und Hoffnungsträger, denn viele von ihnen leben seit Jahren schon mit einem Melanom im fortgeschrittenen Stadium. Das wäre, vorsichtig ausgedrückt, vor einigen Jahren noch ein kleines Wunder gewesen, jetzt ist es eine unglaubliche Motivation für mich, meinen Teil zum Kampf gegen Hautkrebs beizutragen.

Strukturieren mit Post-Its

Foto: Daniela Amey

Leben mit einem Melanom

Bitte nicht falsch verstehen, viele der Workshop-Teilnehmer kämpfen fast täglich mit den Begleiterscheinungen entweder der Therapien oder der Tatsache, dass sie möglicherweise nicht dauerhaft geheilt sind. Und während sie versuchen, normale Leben mit Familie und Beruf zu führen, setzen sie sich für das Netzwerk und für die Mitpatienten in ihren Ländern ein.

Doch in Krusenberg können wir auch darüber sprechen, welche persönliche Zumutung es darstellt, einerseits dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein und andererseits „normal“ funktionieren zu sollen und zu wollen. Sich dieser Zumutung zu stellen, auch das wollen wir voneinander lernen.

Schlankes Management

Thema des Workshops dieses Jahr war „Lean Management“, vielleicht am besten mit „Schlankem Management“ übersetzt. Zwei echte Profis, der Coach Otto Freijser und der Unternehmer und Consultant Andrew Evans, letzterer selbst vom seltenen Aderhautmelanom betroffen, ließen uns hart daran arbeiten, wie man gleichsam als Startup-Unternehmer mit wenig Ressourcen Projekte auf den Weg bringt, die tatsächlich auch die Zielgruppe erreichen.

Lean Management bedeutet „Werte ohne Verschwendung schaffen“. Ziel ist es, alle Aktivitäten, die für die Wertschöpfung notwendig sind, optimal aufeinander abzustimmen und überflüssige Tätigkeiten zu vermeiden… Genaue Prozessdefinitionen, klare Verantwortlichkeiten, frühes Reagieren auf Fehler und einfache Organisationsmethoden führen zum Erfolg.
Quelle: Wikipedia

Hierzu experimentierten wir mit einigen Management- und Projektplanungsmethoden wie dem Mission Model Canvas und dem Javelin Board. Wir identifizierten verschiedene Typen von Zielgruppen, die wir erreichen wollen. Von Patienten, die eher verdrängen, zu denen, die ihr Problem aktiv angehen, und die wir vielleicht auch gerne für die Mitarbeit gewinnen möchten.

Effektives Netzwerken

Wir haben das Glück, mit dem MPNE selbst schon eine sehr effektive Struktur aufgebaut zu haben, die sich gut vernetzt, transparent und effektiv ist und die nicht darauf wartet, dass andere die Arbeit machen. Das ist um so erstaunlicher, als die Bandbreite der Herausforderungen, denen Melanompatienten in den verschiedenen europäischen Ländern gegenüber stehen, sehr weit reicht.

Während etwa in Schweden und Deutschland im Prinzip alle effektiven gängigen Medikamente zu bekommen sind, ist die Lage in Osteuropa zum Verzweifeln schlecht. Neben mangelndem Wissen zur Früherkennung und effektiven Behandlung des Melanoms ist der Zugang zu – von der Pharmaindustrie obszön teuer gemachten – Medikamenten praktisch oft nicht möglich. Deshalb sind die Vertreter des osteuropäischen Ablegers des MPNE auch besonders aktiv.

Gruppenfoto der Patientenvertreter beim MPNE-Workshop in Krusenberg 2017. Foto: Daniela Amey

In Frankreich dagegen gibt es einige sehr gute Zentren, in denen neuartige Studien laufen und Behandlung nach dem Stand der Wissenschaft erfolgt, wie Gilliosa Spurrier von Melanome France erklärt. Doch alleine die Größe des Landes mache es schwierig, dass Patienten überall die gleiche und zeitgemäße Behandlung bekommen. Auch in Deutschland ist der Zugang zu einer leitliniengerechten Behandlung gerade auf dem Land nicht immer leicht möglich.

Martina Kiehl vom Hautkrebs-Netzwerk Deutschland e.V. findet: „Trotz der vielen neuen erfolgversprechenden Medikamente sterben immer noch zu viele Menschen am Melanom, das muss sich ändern! Nur wenn wir voneinander lernen, können unsere Patientenorganisationen gegen diese Ungerechtigkeiten kämpfen.“

Und nur wenn wir unsere Erfahrungen vergleichen, wird es uns möglich die Herausforderung anzunehmen, selbst mit der Diagnose zu leben und anderen in ihrer Situation als Krebspatienten oder Angehörige beizustehen.

Anne Wispler

 

 

 

Teilen und empfehlen (bei Problemen Adblocker deaktivieren):