Methadon gegen Krebs – Anfragen dazu erreichen Selbsthilfegruppen und auch Onkologen, nachdem in verschiedenen Medien berichtet wurde, das Mittel hätte bei Hirntumorpatienten gewirkt. Eine Chemikerin der Uniklinik Ulm hatte in Zell- und Tierversuchen Hinweise darauf gefunden, dass das Schmerzmittel Methadon die Wirkung einer Chemotherapie womöglich verstärken könnte. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Unter anderem hatte ARD-Plusminus am 12. April 2017 unter dem Titel „Methadon – Warum ein preiswertes Mittel für Krebspatienten nicht erforscht wird“ über Heilversuche mit diesem Schmerz- und Heroinersatzmittel berichtet. In der Süddeutschen Zeitung ist dazu nun ein fundierter Artikel erschienen, der die Problematik solcher Meldungen gut erklärt. Zu schnell wird von sensationellen Ergebnissen berichtet, die dann aber auf Einzelfällen oder Versuchen im Reagenzglas beruhen. Methadon ist ein starkes Opioid, das falsch angewendet tödlich wirken kann.

Hinweise zur Wirkung von Methadon – aber (noch) keine Belege

Einzelne Mediziner und Patienten meldeten sich zu Wort und berichteten davon, dass die zusätzliche Gabe von Methadon zur Chemo anscheinend und im Einzelfall Erfolge brächte. Die Chemikerin Dr. Claudia Friesen von der Uniklinik Ulm hatte in Zell- und Tierversuchen Hinweise darauf gefunden, dass das Schmerzmittel Methadon die Wirkung einer Chemotherapie womöglich verstärken könnte. Die Uniklinik Ulm gab hierzu eine Stellungnahme heraus, in der steht: „Hierzu möchten wir Folgendes feststellen: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die von der Arbeitsgruppe der Molekularbiologin Frau Dr. Friesen am Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm erhoben wurden, beziehen sich ausschließlich auf vorklinische Experimente entweder mit Zellkulturen oder tierexperimentellen Studien. Diese Daten lassen sich nicht automatisch auf die Situation beim Patienten übertragen.“ Die Uniklinik Ulm stellte klar, dass jene 80 Patienten, die Methadon zusätzlich erhalten, nicht im eigenen Haus und „nicht im Rahmen von klinischen Studien behandelt wurden.“

Denn ganz so einfach ist das in der Krebsforschung nicht. Was im Reagenzglas oder bei Mäusen funktioniert, muss bei Menschen noch lange nicht wirksam sein. Oder es kann zu schweren und auch tödlichen Nebenwirkungen führen. Die Süddeutsche stellt deshalb zurecht die Frage, wie man in der Forschung mit interessanten, aber klinisch nicht getesteten Ansätzen seriös umgeht.

Recht auf sichere Medikamente und medizinische Beweise

Als Patient hofft man natürlich auf medizinische Durchbrüche. Diese Hoffnung nutzen auch Geschäftemacher, die mit „alternativen“ Mittelchen Geld verdienen wollen, aber der Pharmaindustrie vorwerfen, sie würde Informationen aus Geldgier unterdrücken.

Aber ehrlich: als Patienten wollen wir nur wirksame und sichere Medikamente bekommen. Deshalb gibt es komplizierte Verfahren zur Zulassung von Medikamenten, die erst nach aufwändigen Studien beim Menschen eingesetzt werden. Ohne weitere klinische Studien zum Methadon bei Krebs kommen wir also nicht weiter. Es ist deshalb gut, dass jetzt wieder eine Studie zum Methadon in Auftrag gegeben wurde. Leider wird das Ergebnis noch auf sich warten lassen.

Übrigens hatte die Deutsche Krebshilfe schon 2014 eine derartige Studie von Dr. Friesen gefördert. Doch aktuell warnt auch sie vor falschen Hoffnungen. „Demnach liegen Erkenntnisse beispielsweise aus dem von der Deutschen Krebshilfe geförderten Grundlagen-Forschungsprojekt vor, die bisher jedoch nicht in der klinischen Situation unter kontrollierten Studienbedingungen überprüft wurden. Vor diesem Hintergrund hält es die Deutsche Krebshilfe derzeit für ethisch geboten, Patienten, die nach diesem Behandlungsansatz fragen, dahingehend zu informieren, dass es für diese Form der Krebstherapie momentan noch keine belastbaren Daten aus klinischen Studien gibt. Auf der Basis der bisher vorliegenden Daten ist ein Einsatz von Methadon als Krebsmedikament außerhalb von klinischen Studien nicht gerechtfertigt.“ Quelle: https://www.krebshilfe.de/fileadmin/Downloads/PDFs/Stellungnahmen/Stellungnahme_Methadon_07_2017.pdf / abgerufen am 26.07.2017

Auch eine Studie zum Einsatz von Methadon beim Hirntumor, an der Wissenschaftler der Charité zusammen mit der Ulmer Chemikerin Dr. Friesen beteiligt waren, kommt zu dem Schluss, dass man nicht genug über die Wirkung von Methadon gegen Krebs sagen kann und erst gezielte klinische Studien mehr Informationen liefern können. (Quelle: http://ar.iiarjournals.org/content/37/3/1227.long)

Eine Onlinepetition  mit dem Titel „Methadon in der Krebsmedizin“ fordert den sofortigen Einsatz des Medikaments parallel zur Chemotherapie – allerdings ohne zu erklären, bei welchen Krebsarten und bei genau welcher Chemotherapie. Das aber ist viel zu ungenau. Auch deshalb muss eine große klinische Studie her.

 

Weitere Quellen:
Der Plusminus-Bericht bezieht sich auf die im März 2017 veröffentlichte retrospektive Studie von Onken, Friesen et al. (Onken J, Friesen C, Vajkoczy P, Misch M: Safety and Tolerance of D,L-Methadone in Combination with Chemotherapy in Patients with Glioma. Anticancer Res. 37:1227-1235, 2017. http://ar.iia- rjournals.org/content/37/3/1227.long )

Auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie nahm Stellung und warnte vor falschen Hoffnungen, nachzulesen unter https://www.dgho.de/informationen/stellungnahmen/gute-aerztliche-praxis/DGHO_Stellungnahme_Methadon%2020170426_.pdf

Einen guten Überblick über das Hin- und Her beim Thema Methadon gibt es bei WDR-Marktcheck: https://www.swr.de/marktcheck/methadon-als-krebskiller/-/id=100834/did=19668102/nid=100834/1ftrljj/index.html

Anne Wispler

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