Podiumsdiskussion
Schon zum dritten Mal hat das Hautkrebs-Netzwerk Deutschland einen bundesweiten Hautkrebs-Patiententag ausgerichtet. Dieses Jahr fand er in Heidelberg im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) statt. Die rund 100 Besucher, davon auch einige aus Berlin, konnten sich bei lebendigen Diskussionen und informativen Vorträgen über Therapie und Krankheitsbewältigung informieren.

HKND-Vorsitzende Meyer und Astrid Doppler von der Hautkrebs-Facebookgruppe im Gespräch. Alle Fotos: Krebsinformationsdienst, DKFZ

Annegret Meyer, die Vorsitzende des Hautkrebs-Netzwerks Deutschland (HKND), betonte das Anliegen unseres Netzwerkes: „Wir wollen das Wissen in der Bevölkerung zum Thema Hautkrebs verbessern. Mit unserer Arbeit und auch unseren Patiententagen tragen wir dazu bei, dass die Anliegen von Hautkrebspatienten gestärkt werden. Wir werden auch immer öfter in das gesundheitspolitische Geschehen einbezogen und merken dadurch, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Patienten im Dialog

Der Hautkrebs-Patiententag begann mit einer Einführung und Diskussion zum Thema „Ich will gut leben – auch mit Krebs“, geleitet von Anne Wispler und Hans Bötel von der Selbsthilfe Hautkrebs Berlin. Was können Betroffene tun, um eine bestmögliche Versorgung zu erhalten und selbst zum Gesundwerden beizutragen? In der intensiven Diskussion ging es einerseits um die Nöte der Patienten, die z.B. lange auf Diagnosen oder Termine warten müssen.

Zuhörer bei "Patienten im Dialog"

Konzentrierte Diskussion der Teilnehmer zum Auftakt.

Ganz im Sinne der Selbsthilfe tauschten die Teilnehmer untereinander gute Tipps, wie beispielsweise, sich bei Entlassung aus dem Krankenhaus gleich einen vorläufigen Bericht geben zu lassen. Auch das Recht auf eine regelmäßige Nachsorge bei Hautkrebs wurde noch einmal bekräftigt; dazu gibt es festgelegte Nachsorge-Schemata.

Fazit dieser Einstiegsrunde war, dass wir als Patienten nicht umhinkommen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, uns gut zu informieren und die nötigen Behandlungsschritte gemeinsam mit den Ärzten zu planen, ganz nach dem Motto „ich bin mein eigener Projektleiter“.

Hinweis: Sie finden die pdfs der Vorträge alle auf der Seite des Hautkrebs-Netzwerks Deutschland zur Veranstaltung.

Wenn dabei Partner, Freunde und Familie unterstützen und zu wichtigen Arztgesprächen mitkommen, um so besser. Nicht zuletzt können Selbsthilfegruppen Halt und gute Infos geben, damit die Krebserkrankung bestmöglich bewältigt werden kann. Das HKND ist bei der Gründung einer Gruppe übrigens gerne behilflich.

Heller Hautkrebs – Ursachen und neueste Entwicklungen

PD Dr. Maria Gaiser, DKFZ/Universitätsmedizin Mannheim, informierte über verschiedene Typen von Hellem Hautkrebs und wodurch diese ausgelöst werden können. Risikofaktoren können neben der UV-Strahlung z. B. das Rauchen, Viren und genetische Veranlagung sein.

PD Dr. Maria Gaiser, DKFZ/Universitätsmedizin Mannheim

Zum Sonnenschutz sei wichtig zu wissen, dass selbst bei Bewölkung noch 90% des schädlichen UV-Lichts auf die Erde treffen. Anschaulich war der Hinweis, dass ungefähr ein Teelöffel die Menge an Sonnenmilch aufnimmt, die alleine für den Schutz des Gesichts nötig sei. Fazit: Wir alle sind zu sparsam mit dem Sonnenschutz.

Was können komplementäre Heilmethoden leisten?

Im Vortrag über Komplementärmedizin von Frau Dr. Anke Ernst vom KID erfuhren die Zuhörer z. B., dass nicht jeder Wirkstoff, der im Labor oder bei Mäusen gegen Krebs wirksam ist, auch in der praktischen Anwendung beim Menschen gegen Krebs wirkt.

Frau Dr. Anke Ernst vom Krebsinformationsdienst Heidelberg.

Vor allem, wenn es heißt, nur in einer bestimmten Klinik oder bei einer Person ist eine bestimmte alternative Heilmethode zu bekommen, ist Vorsicht geboten. Und hinter vielen im Internet angepriesenen Mitteln stecken Wirkstoffe mit ernsten Nebenwirkungen, wie z.B. bei der schwarzen Salbe oder den oft beworbenen Aprikosenkernen, welche Blausäurevergiftungen hervorrufen können.

Ein erfolgreich eingesetztes Mittel aus der Natur ist z.B. die Garten-Wolfsmilch, deren Wirkstoff in verschreibungspflichtigen Gels gegen hellen Hautkrebs wirkt.

Andere Wirkstoffe können Wechselwirkungen z.B. unter der Immuntherapie bei Hautkrebs auslösen. Eigentlich empfohlene Antioxydantien wie Gerstengras, Cranberry, Omega 3-Fettsäuren können dann u. U. auch schaden. Deshalb sollte man die Entscheidung für komplementäre Verfahren immer mit dem Arzt abstimmen.

Hautkrebs-Foren bei Facebook: Selbsthilfe im Internet

Astrid Doppler und Katharina Kaminski stellen die Facebook Gruppe „Diagnose Hautkrebs“ vor.

Aufgrund einer kurzfristigen Programmänderung konnte sich eine Patienteninitiative vorstellen, die sich über das Internet organisiert. Astrid Doppler und Katharina Kaminski leiten das größte deutschsprachige Onlineforum. Die Facebook-Gruppe „Diagnose Hautkrebs – wir lassen Dich nicht allein!““ ist mit rund 740 Teilnehmern ein sehr aktives Forum für Betroffene und Angehörige. Neben der emotionalen Unterstützung wird hier auch Wert auch auf wissenschaftlich fundierte Informationen gelegt. Die ehrenamtlichen Moderatoren achten darauf, dass sich niemand mit kommerziellen Interessen hinter den Profilen verbirgt. Neu ist eine offene Facebook-Infoseite „Melanom Info Deutschland- MID“ und ein weiteres geschlossenes Forum für Menschen mit fortgeschrittenem Melanom im Stadium IV.

Arm durch Krebs? Wenn die Krankheit zur Armutsfalle wird

Nachdenklich stimmte der gleichnamige Beitrag von Jürgen Walther vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg, der dazu riet, sich besser schon in gesunden Tagen sozial abzusichern. Denn rund ein Viertel der Krebspatienten müsse mittelfristig mit hohen Einkommensverlusten rechnen.

Jürgen Walther vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg.

Der manchmal voreilige Wechsel in eine Erwerbsminderungsrente aufgrund einer schweren Erkrankung bringt dabei ein erhöhtes Risiko, in die Altersarmut zu rutschen. Die Erwerbsminderungsrente ist noch aus einem anderen Grund problematisch: Die Gesellschaft verschenkt das Restleistungsvermögen durch Verrentung. Im soeben vorgestellten Schuldenaltlas 2017 ist Krankheit als ein Grund für Schulden weiter vorgerückt.

Die Warnung des Experten hatte durchaus auch eine gesellschaftspolitische Botschaft, denn wenn soziale Sicherungssysteme nicht mehr funktionieren, steigt der Extremismus in der Bevölkerung.

Was Selbsthilfegruppen für Patienten und Angehörige leisten

A. Wispler und V. Hodel

A. Wispler und V. Hodel stellen die Arbeit der Krebs-Selbsthilfegruppen im Hautkrebs-Netzwerk Deutschland vor.

Anne Wispler aus Berlin und Volker Hodel aus Freiburg stellten die wichtige Rolle von Selbsthilfegruppen zur Unterstützung von Hautkrebspatienten dar. Die Selbsthilfe ist dabei so vielfältig wie die Menschen, die sich dort engagieren. Hier können Sie sich Tipps und seelische Unterstützung von Gleichgesinnten holen. Mit der Kooperation der Hautkrebs-Selbsthilfegruppen im Hautkrebs-Netzwerk Deutschland e.V. ist aber auch die Vertretung von Patienteninteressen, mehr Mitsprache im Gesundheitswesen und mehr Bekanntheit verbunden.

 

Neue Hoffnung beim fortgeschrittenen Melanom

Über neue Chancen bei metastasiertem schwarzen Hautkrebs berichtete PD Dr. Jessica C. Hassel vom Universitätsklinikum Heidelberg. In diesem fortgeschrittenen Stadium werden mittlerweile öfter verschiedene immuntherapeutische Substanzen miteinander kombiniert. Dauerhaft geheilt waren vor der Einführung dieser neuen Generation von Medikamenten ca. 2% der Patienten; mittlerweile sprechen über 50% der Behandelten an, die Tumore bilden sich mitunter vollständig zurück.

Leider sind die Nebenwirkungen teils schwer, was bei rund einem Drittel der Patienten zum Abbruch der Therapie führt. Erstaunlich ist aber, dass selbst noch nach so einem Abbruch eine positive Reaktion des Immunsystems möglich ist und die Krankheit dadurch gebremst wird.

Wichtige Infos zum Mitnehmen sind einerseits, dass große Hautkrebs-Zentren in der Regel die bessere Wahl sind. Hier werden auch aktuelle Studien angeboten. Erforscht wird derzeit auch, ob Bestrahlung das Ansprechen auf die neuen Therapien fördern kann. Auch eine neuartige und ganz individuelle Impftherapie mit T-Zellen aus dem eigenen Tumor könnte bald Erfolge zeigen.

Was verursacht Stress und was kann helfen?

Prof. Dr. Dorothée Nashan, Dermatologin (Schwerpunkt Dermatoonkologie), Klinikum Dortmund.

Inspirierend und bestärkend war der Beitrag von Frau Prof. Dr. Dorothée Nashan zum Umgang mit Stress. Sie betonte geistreich und ermunternd die Bedeutung, die der Selbstwirksamkeit (hier als Gegenteil von Selbstzweifel) für den Patienten bei der Bewältigung der Krankheit zukommt, und die zur eigenen Befähigung des Patienten (Englisch ‚Empowerment‘) führen soll, mit dem Krebs besser zu leben.

Die Arzt-Patientenkommunikation, die soziale Unterstützung und die Auseinandersetzung mit Gefühlen und Ängsten, auch mit Hilfe eines Psychoonkologen wirken sich stark auf die Gesundheit aus.

Hautkrebspatiententag-Diagnose-Hautkrebs-was verursacht-Stress-was kann-helfen-2017-11-11

Link zum Download

Im Mittelpunkt des Abschlusspodiums: Information und Kommunikation

Das Abschlusspodium bot dem Publikum noch einmal Gelegenheit, Fragen zu stellen, die bis dahin offen geblieben waren, und den Referentinnen und Referenten, ihre Themen zu vertiefen. Wichtig hierbei: Was kann dem Betroffenen konkret helfen, mit seiner Situation umzugehen?

Die Verbesserung der psychoonkologischen Versorgung wurde optimistisch gesehen. Ein mündiger Patient kann seine Entscheidungen nur auf der Grundlage von vorhandenen Informationen treffen. Annegret Meyer wies hierzu auch auf die Bedeutung des Erstgesprächs mit dem Arzt hin. Der Leidensdruck ist allerdings bei jedem Patienten unterschiedlich.

Podiumsdiskussion

Podiumsdiskussion mit A. Doppler, A. Wispler, V. Hodel, Dr. D. Nashan, A. Meyer, Dr. Weg-Remers, Dr. J. Hassel, Dr. A. Ernst, J. Walther, J. Geulen.

Hilfreich zur Verbesserung der Kompetenz des Patienten, die sich individuell sehr unterscheidet, sind allemal Hilfsmittel wie ‚Leichte Sprache‘ und gegebenenfalls ‚Patientenlotsen‘, ein Angebot, das bisher noch nicht den Eingang in unser Gesundheitssystem gefunden hat, wie beispielsweise in den USA.

Frau Professor Nashan bemerkte, „Viele Patienten sagen, ich verlasse mich auf meinen Arzt, aber die Zahl der Patienten, die mitwirken wollen, ist wachsend.“ Auch Frau Dr. Hassel wies am Beispiel der Lymphknotendissektion darauf hin, dass es wichtig sei, den Patienten „mit ins Boot“ zu holen. Der Arzt kann nicht alles für den Patienten entscheiden.

Frau Dr. Weg-Remers bestätigte aus Umfragen des Krebsinformationsdienstes im DKFZ, dass Patienten mehr erfahren und sich an Entscheidungen mitbeteiligen wollen.

Angeregte Pausengespräche im Foyer des DKFZ beim Hautkrebs-Patiententag Heidelberg 2017.

Ein wichtiges Medium zur Information stellt zweifellos das Internet dar. Frau Prof. Nashan gab jedoch zu bedenken, dass es durch Fehlinformationen vieles kaputt mache. Wie kann man zwischen richtiger und falscher Information unterscheiden? Gerade Internetkompetenz ist sehr wichtig und müsse von allen erworben werden. Dazu gehört, wie Frau Dr. Ernst äußerte, zu wissen, dass bei Informationen zu komplementären und alternativen Methoden noch ein unglaublicher Wildwuchs im Internet herrscht.

Aus dem Publikum wurde lobend hervorgehoben, dass nicht zuletzt die Informationen zur Krebskrankheit als Armutsrisiko auch Bereiche berührten, die oftmals zu kurz kämen.

In der lebhaften Diskussion im Abschlusspodium wurde auch deutlich, dass verschiedene Angebote an Betroffene, wie Selbsthilfegruppen und Internetforen, durchaus enger zusammenarbeiten könnten, um die Qualität und die Verbreitung der Informationen für Patienten weiter zu verbessern.

Am Ende einer sehr gelungenen Veranstaltung stand fest: Generell gilt, es muss größter Wert auf Fortbildung aller Beteiligten gelegt werden! Nicht weniger als die Zukunft der Medizin und unseres Gesundheitswesens hängt davon ab.

Danksagung

Vielen Dank den Unterstützerinnen und Unterstützern, die diesen Tag möglich gemacht haben, besonders dem Krebsinformationsdienst Heidelberg, der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie, dem AOK-Bundesverband und der AOK Baden-Württemberg. Und ebenso den vielen Besucherinnen und Besucher, von denen viele mit ihren Fragen und ihren eigenen Erfahrungen dazu beigetragen haben, dass der 3. Deutsche Hautkrebs-Patiententag in Heidelberg wirklich ein PATIENTEN-Tag wurde.

An dieser Stelle bedankt sich die Selbsthilfe Hautkrebs Berlin ganz herzlich bei der DAK, die die Teilnahme von sechs Mitgliedern der Selbsthilfe Hautkrebs Berlin am Deutschen Hautkrebspatiententag in Heidelberg durch einen Zuschuss zu den Reisekosten ermöglicht hat.

Text: hwb /awi 

Alle Fotos: Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum, Tobias Schwerdt

 

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